Chinesisches Denken

Das chinesische Denkmodell unterscheidet sich grundsätzlich vom Denkmodell der westlichen Medizin. Zugang zum chinesischen Denken ermöglichen Naturbilder, auf denen die ganze Medizin aufbaut.

In der westlichen Medizin wird nach Veränderungen in der Substanz, im Materiellen gesucht.

In der chinesischen Medizin ist die Funktion, die Energie, immer im Vordergrund.

Beide Modelle führen oft zu unterschiedlichen Betrachtungswinkeln. Ein eingenommener Betrachtungswinkel ist nicht besser oder schlechter als der andere. Er ist nur anders.

Stellen wir uns einen Mann vor, der jeden Tag über 10 Jahre exakt um 20 Uhr immer dieselben Spaghetti mit derselben Tomatensoße isst. Stellen wir uns den selben Mann vor, der ebenfalls diese Spaghetti um 20 Uhr isst und gleichzeitig fernsieht. Haben diese beiden Männer nach 10 Jahren dasselbe gegessen? Aus westlicher Sicht ja. Aus chinesischer Sicht nein.

Das westliche Auge sieht im naturwissenschaftlichen Blick nur die Materie: die Tomatensoße. Aus chinesischer Sicht ist das Essen ein Teilbereich des übergeordneten „zu sich nehmens”. Aus dieser Sicht isst man alles, was man zu sich oder aufnimmt.

Das Auge isst mit, ob man will oder nicht.

Der grundlegende Unterschied zwischen westlichem Denken und chinesischem Denken ist letztendlich der Umgang mit der Frage des Ursprungs von Henne und Ei.

Im westlichen Denkmodell beschreibt diese Frage ein unlösbares Dilemma. Im östlichen Denkmodell wird dieses Dilemma mit der Antwort „Beides ist richtig” aufgelöst.

In den Entschließungen zum Tagesordnungspunkt I: Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik in den gesundheitspolitischen Leitsätzen der Ärzteschaft (Dt. Ärzteblatt 2008; 105(22): A-1189 / B-1026 / C-1006) steht über „Die Arbeit der Ärzte” folgendes:

„Die Medizin ist keine exakte Naturwissenschaft, die nur streng kausalen Regeln folgt und deren Ergebnisse in einer festen Versuchsanordnung jederzeit reproduzierbar sein müssen. Medizin ist vielmehr eine praktische, eine Erfahrungswissenschaft, die sich naturwissenschaftlicher Methoden ebenso bedient wie der Erkenntnisse der Psychologie, der Sozial- und Kommunikationswissenschaften, allgemein der Geisteswissenschaften und im bestimmten Umfang auch der Theologie. Ärztinnen und Ärzte müssen – je nach Fachgebiet unterschiedlich ausgeprägt - mit einem nur erfahrungsgemäß richtigen Wissen umgehen, das zudem in Forschung und Entwicklung zumeist relativ kurze Halbwertszeiten aufweist. Zudem spielen bei allen Entscheidungsprozessen in der Medizin neben wissenschaftlichen Erkenntnissen auch Wertungen und Haltungen eine wichtige Rolle.”

Meiner Überzeugung nach kann die chinesische Medizin und ihr Denken Antworten auf die Fragen geben, die sich zwangsläufig aus dem obigen Zitat ergeben.